Mittwoch, 28. Januar 2009

Schülerzeitung

Die Berliner Morgenpost lässt nicht locker: Schon wieder ein Artikel über die Zensur an unserer Schule. Die Vorgeschichte hier von Anfang an zu rekapitulieren, würde zu weit führen. Tatsache ist: Die Schulleitung ließ sich die damalige Schülerzeitung "dürer!" zur Vorabkontrolle vorlegen, wozu sie nach dem auch in der Schule geltendem Recht auf Pressefreiheit nicht befugt ist. Die Folge (Preisverleihung und öffentliche Aussprache des Wortes "Zensur", Reaktion von Senator Zöllner, Schulwechsel der Redaktion) sind den Eingeweihten bekannt. Tatsache ist auch: Wir haben jetzt eine Schulzeitung, die zur Kontrolle der Schulleitung vorgelegt wird, welche wiederum presserechtlich verantwortlich zeichnet.Das ist nun auch nicht ohne Pikanterie, da weiterhin Artikel über Kollegen/Kolleginnen erscheinen, die nicht nur Schmeichelhaftes enthalten und die subjektive Wahrnehmung der Schülerschaft widerspiegeln. Und dafür ist dann die Schulleitung verantwortlich??! Dann weiß ich wenigstens, wo ich mich beschweren kann, wenn ich falsch zitiert werde (etwa mit: "Liebe Kinder, heute machen wir Drogen!"). Was mich an der ganzen Sache aber nun wirklich umhaut, ist ein Gespräch mit Schülern des Abiturjahrgangs, die diese "Zensur" (man könnte auch versöhnlicher "Vorabkontrolle" sagen)mit großem argumentatorischen Aufwand gutheißen und rechtfertigen. Detlev Meier wird sich im Grabe herumdrehen, der gute Staffelt nostalgisch das gelockte Haupt schütteln und Benjamin Christ wird die allernihilistischsten Kommentare über die Jugend von heute absondern. Mensch Leute, seid doch nicht so verdammt duckmäuserisch! Die Schülerzeitungen an unserer Schule (Pauke, AnAlphabeten und dürer! der 1./2./3.Generation) haben eine Tradition, und zwar zumindest teilweise eine kritische, satirische. Da gab es Redakteure, die sich nicht in die Hose gemacht haben, wenn es mal ein bisschen Stress gab. Okay, als Lehrer möchte man nicht unbedingt alle paar Wochen ängstlich darauf warten, ob man nun diesmal zur Zielscheibe des allgemeinen Spottes geworden ist. Aber war der "dürer!" so? Und das Argument, eine Mitschülerin habe man fertig machen wollen, und das allein rechtfertige die "Vorabkontrolle" - tut mit leid, irgendwie fällt es mir schwer zu glauben, dass diese Kritik so menschenverachtend war, wie sie jetzt im Zuge der Legendenbildung erscheint. Die Schulzeitung muss wieder zur Schülerzeitung werden! Wir machen uns ja lächerlich!

Inspektion (2)

Das große Los gezogen! Das Inspektionsteam hatte sich ja nach allen Regeln der Kunst angemeldet, sein Vorgehen erläutert usw. usw. Um die Untersuchungsinstrumente "zu kalibrieren" (whatever that means), wolle man mit der ganzen Truppe in der zweiten Unterrichtsstunde am Montag gemeinsam in eine Klasse gehen und dort einer vollständigen Stunde beiwohnen. Ich fühlte mich in der räumlichen Enge von Raum 402, wo schon die 22 Schüler und ich kaum Luft zum Atmen haben, geschweige denn gemütlich in der Klasse hin- und hergehen können, auf der sicheren Seite. Weit gefehlt! Quelle fatale illusion!(Ist 'ne Anspielung für Eingeweihte!)Schon auf meinem Weg über den Flur raunten die Kollegen, vor der Tür eine besorgte Schulleiterin, hinten in der Klasse die sechs Gestalten, schön eng mit Körperkontakt, wie die Hühner auf der Stange.
Schluck!Erfreulicherweise hatte ich allerdings einen bombensicheren Selbstläufer geplant: Schüler stellen Plakate über "Kabale und Liebe" vor. So konnte ich mich gepflegt an die Seite verfügen und der Sache gelassen zusehen. Und die Schüler waren Spitze! Ganz im Sinne des selbstorganisierten Lernens nahmen sie Sache in die Hand, redeten frei und flüssig und dazu auf hohem Niveau. Wenn das keine Pluspunkte gegeben hat! Später, beim Lehrergespräch am Nachmittag, fragte ich den großen Vorsitzenden, wie denn die Einzelstunden ausgewählt worden seien, und erhielt zur Antwort, das habe das Verwaltungspersonal nach dem Zufallsprinzip gemacht. Ich war dann jedenfalls am selben Tag nochmal dran: in der 7. Stunde im Grundkurs Französisch.Und das war's dann auch. Mal sehen, was dabei rauskommt.

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Ado im TV

Gestern und heute im rbb: Familie Altiok "tauscht ihr Leben" für eine Woche mit Spreewäldern aus Lübbenau. Die Absicht ist bestimmt eine gute: dem Brandenburger Landvolk zeigen, dass "die Türken" auch Menschen sind. Das wird ja wohl auch gelingen. Besagte Familie spricht deutsch, ist weltoffen, anpassungsfähig, lustig, nett und hat kluge Kinder, die aufs Gymnasium gehen (und - nebenbei gesagt - einen nicht nur sprachlich weitaus besseren Eindruck hinterlassen als ihre etwas prolligen Pendants, die durch die Feststellung glänzen: "Türken sind doch irgendwie Schmarotzer oder so.")Natürlich ist das Ganze eine große Inszenierung. Die Beteiligten handeln nach einem Drehbuch, das die Filmemacher sich so ausgedacht haben. Außerdem muss alles über die Bilder laufen, ist ja Fernsehen. Also schwenken die Geschwister etwas verschämt eine türkische Fahne und murmeln "Türkiye", um zu bebildern, dass sie sich als Türken fühlen. Also filmt man die Spreewälder in einem türkischen Supermarkt, wo sie die Etiketten nicht lesen können, um die Landnahme der Eingewanderten in Neukölln zu illustrieren. Restaurants, Straßenszenen, Fastenregeln - im Fazit ist das alles befremdlich, weil es (für die Brandenburger)nicht "deutsch" ist. Ich stelle mir vor, dass man die Spreewälder in einen "deutschen" Intellektuellenhaushalt (Bücherwände, Bauhausmöbel, Klavier, Espressomaschine) in Prenzlauer Berg (Kneipenszene, schräge Boutiquen, Bioläden, Schwule) versetzt hätte. Wie wären ihre Fremdheitsgefühle unter all diesen Deutschen gewesen?
Was ich meine: Diese Identitätsduselei nur über ethnische Faktoren herstellen zu wollen, ist falsch. In jeder nationalen Großgruppe gibt es unzähligen Subkulturen, die einander partiell fremd sind. Das Fremdheitsgefühl stellt sich natürlich verstärkt ein, wenn die Sprache nicht verstanden wird (dies zum Thema "Deutsch auf dem Schulhof"), es aber z.B. am Essen festmachen? Wie viele Deutsche essen heute noch Eisbein mit Sauerkraut, wie viele Pizza? Im Film wurden Schmorgurken und Auberginen gewählt, um die kulturelle Differenz zu verdeutlichen. Und angeblich nimmt sich der Spreewälder Gurken mit nach Berlin, weil er ohne nicht leben kann. Au weia, wer das glaubt! Und wer schon Auberginen nicht mag, identifiziert sich aber bestimmt mit Austern schlürfenden Landsleuten im Kadewe (unter der Bedingung, dass es deutsche Austern sind)!

Mittwoch, 26. November 2008

Gerechtigkeit

Es war einmal ein König, der fand, dass in seinem Reich alles drunter und drüber ging und niemand auf ihn hörte. Da beschloss er, dass er strenger mit seinen Untertanen umgehen müsse, und verkündete eine Reihe von neuen Gesetzen, auf deren Einhaltung er eifrig achtgab. Jeden noch so kleinen Verstoß gegen die neuen Regelungen unterband er schon im Vorfeld, obwohl seine Untertanen hier und da murrten und die Weisheit der königlichen Entscheidungen nicht so recht einsehen wollten.
Nun waren aber der Untertanen viele und einige derselben waren dem König durchaus ans Herz gewachsen. Wenn diese nun antichambrierten und um Entbindung von den geltenden Gesetzen baten, wiegte der weise König sein Haupt hin und her und sagte: "In deinem Fall will ich eine Ausnahme machen, aber erzähle den anderen nichts davon." Leider ließen die privilegierten Untertanen, wie es eben Menschen so tun, hier und da eine Bemerkung über die errungene Gunst fallen, so dass sie den anderen Untertanen zu Ohren kam. Nun murrten diese freilich noch mehr.
(Fortsetzung folgt)

Vorbei!




Unsere Schule verfügt jetzt über einen vorbildlichen Feuerschutz: kahle, verschmutzte Wände in den Fluren; provisorische Rigips-Wände; Raumtrennungen, die als Fluchtwege deklariert werden, und allerorts Schilder, auf denen steht: Diese Tür bitte immer geschlossen halten. Dafür haben wir aufgegeben: Infobretter mit aktuellen Zeitungsausschnitten, Fotoaushänge über AGs, Projekte, Reisen und Veranstaltungen, Kunstobjekte, die einen staunen ließen, und die Möglichkeit, schnell und unbürokratisch per Zettel Nachrichten weiterzugeben. All diese papiernen Objekte könnten Feuer fangen (oder angezündet werden) und auf den deklarierten Fluchtwegen verheerende Forlgen haben.
Ja, das muss dann wohl so sein! Aber es ist irgendwie auch ganz furchtbar, wie durch Bürokratisierung der Lebensraum Schule zwangsverödet. Wir schaffen jetzt Klemmrahmen an, um alles hinter (Plexi-)Glas zu sichern. Mal sehen, wie das im Endeffekt aussieht! Bleiben die Klassenräume, in denen alles so bleiben kann, wie es ist. Das sollte man dann auch weidlich ausnutzen. Her mit den Lernplakaten, Fotos vom Wandertag, Geburtstagskalendern und Fußballpostern! Und wehe, jemand treibt damit Unfug!

Donnerstag, 20. November 2008

Inspektion

Im Januar also kommt das Inspektionsteam in die ADO. Gestern hat es sich vorgestellt, das Verfahren erläutert, Dokumente eingefordert und Personen ausgelost. Man wolle einen Blick von außen auf die Schule werfen und ihre Stärken herausfinden (Schwächen etwa nicht?). Dazu dienen Unterrichtsbesuche von je 20 Minuten, Fragebögen für die gesamte Schüler-, Eltern- und Lehrerschaft (die aber nur ausgewertet werden, wenn jeweils 80% mitmachen), Einzel- und Gruppeninterviews mit den Beteiligten. Die Fragebögen und Kriterien sind vorher bekannt, insoweit gibt es keine Geheimniskrämerei. Man spielt mit offenen Karten. Das ist gut. Gut ist auch, dass wir, also sowohl Lehrerschaft als auch Institution,endlich einmal erfahren, was andere von uns halten. Einerseits... Andererseits ist man das ja nicht gewohnt. Unsereins bewertet und benotet nahezu täglich, wird aber äußerst selten selbst benotet. Wenn man sich um eine Funktionsstelle bewirbt, macht die Schulaufsicht bzw. neuerdings die Schulleitung eine dienstliche Beurteilung. Lustig daran ist allerdings, dass schon vorher feststeht, dass alle dieselbe Endnote bekommen (außer man ist völlig unfähig und steht kurz vor der Suspendierung). Die zweite Chance hat man bei Spickmich, aber da trauen sich die meisten gar nicht hin, angeblich aus prinzipiellen Gründen, vielleicht aber auch, weil sie Schiss haben? Ganz taffe Gestalten lassen sich ja von ihren Schülern regelmäßig ein Zeugnis ausstellen. Das gibt's sogar online irgendwo beim Senat und es ist sichergestellt, dass nur der Lehrer selbst und niemand sonst das Ergebnis der anonym eingegebenen Voten einsehen kann. Der Gedanke, einmal mit seinen ganzen Schwächen, Wissenslücken, säumigen Korrekturen, schlechtgelaunten Bemerkungen, ungerechten Noten und sonstigen pädagogischen Supergaus konfrontiert zu werden, hat nun wirklich nichts Anziehendes. Ich reiße mich auch nicht gerade darum. Dennoch muss ich sagen, dass ich einige persönliche Fortschritte in meiner erzieherischen Menschwerdung Bemerkungen zu verdanken habe, an denen ich zunächst einmal zu kauen hatte. Ein Beispiel für viele: Auf einem Elternabend (muss mindestens zwanzig Jahre her sein)klage ich wortreich über das unmögliche Verhalten der Klasse (Beispiele tun jetzt nichts zur Sache). Ein Vater: "Können Sie das Ganze nicht mal mit Humor nehmen?" Uff, das hat gesessen. Und nachhaltig gewirkt. Okay, an Herrn Heinecke bin ich nie herangekommen, aber ich arbeite dran! Zweites Beispiel (wenn man einmal anfängt, drüber nachzudenken...): ein Schlüsselerlebnis meiner ersten Wochen als Referendarin. Ich 25, die Schüler (3. Semester)18-20. Haben sich ein Spässchen daraus gemacht, mich nach Strich und Faden zu veräppeln, bis ich dann endlich einmal (nach vielen sanften "bitte, bitte" und "Könnten Sie nicht vielleicht Ihre Zeitung zusammenfalten und Ihre Füße vom Tisch nehmen?")ein bisschen lauter wurde. Befreites Grinsen: "Na, endlich gehen Sie mal etwas aus sich heraus!" Inzwischen kann ich sogar schreien, wenn Not am Mann ist, immer nach dem Motto: Wenn man schon der Alleinunterhalter ist, haben die Kinder auch ein Recht auf Emotionen. Schließlich gucken sie täglich Gerichtsshows. So, irgendwie bin ich jetzt vom Thema abgekommen...

Donnerstag, 30. Oktober 2008

Anderes Schulsystem

Die Herbstferien habe ich in Südfrankreich, genauer gesagt in Perpignan, bei Freunden verbracht, die ich bei meinem Lehreraustausch 1984 kennen gelernt habe. Pierre ist schon pensioniert, aber Françoise arbeitet noch als Deutschlehrerin an einem Lycée. Da bleiben Lehrergespräche undVergleiche nicht aus. Der Reformwahn macht auch vor Frankreich nicht Halt, wobei die Situation noch dadurch verschärft wird, dass es in kurzer Folge neue Erziehungsminister gibt, die jeweils eigene Duftmarken setzen wollen. Tiefgreifende Reformen, die mit Mehrarbeit oder Statusverschlechterungen der Lehrer einhergehen würden, sind in Frankreich schwer durchsetzbar, da die Lehrergewerkschaften stark sind und die Streikfreudigkeit der Kollegen bekannt ist. Da sind schon mal im Abiturjahrgang sechs Wochen Unterricht ausgefallen, woraufhin - so das Gerücht - die Bewertungskriterien "angepasst" wurden. Jedenfalls vermittelt man auch in Frankreich jetzt Kompetenzen - wie schön, dass die europäische Einigung so zügig voranschreitet. 70-80% eines Jahrgangs machen Abitur und haben damit die theoretische Studierfähigkeit, können sich auch an einer Uni einschreiben (kein Numerus Clausus), aber nach dem ersten Studienjahr wird gnadenlos gesiebt und die Schüler mit den "weichen" Leistungsfächern haben statistisch gesehen das Nachsehen, während die leistungsstarken Mathematiker durchkommen. Die besten Schüler gehen sowieso nicht auf die Uni, sondern besuchen zwei Jahre lang Aufbauklassen, um dann an einer Aufnahmeprüfung einer der Eliteschulen teilzunehmen. Werden sie dort aufgenommen, haben sie ausgesorgt.

Bisher haben alle französischen Lehrer, mit denen ich über das Thema gesprochen habe, dringend vor der Einheitsschule (bei uns jetzt "Gemeinschaftsschule") gewarnt und auch von dem Niveau eines Abiturs, das fast jeder besteht, kann man eigentlich nichts halten. Müssen wir in Deutschland unbedingt das nachmachen, was bei anderen nicht funktioniert?