Montag, 29. Juni 2009

Desinformation

Schlagzeilen der letzten Tage aus der Berliner Morgenpost und dem Tagesspiegel:
- Unterricht an Berlins Schulen wird schlechter
- Jede vierte Schule hat Qualitätsmängel
- Wissenslücken
- So sollen die Schulen besser werden usw.
Worum geht's? Der Bericht über die Schulinspektionen in den Jahren 2007/2008 wurde der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Vergleich zu 2005/2006 wurden weniger gute Ergebnisse erzielt.So weit die Fakten.Die Schlussfolgerungen und Kommentare der schreibenden Zunft sind weitestgehend Humbug.
Es handelt sich nicht um dieselben Schulen wie im ersten Inspektionsbericht. Wie logisch ist die Schlussfolgerung, man beobachte hier einen Prozess der "Verschlechterung"?
Schlechte Noten haben viele Schulen im Bereich "Innere Differenzierung". Was hat das mit "Wissenslücken" zu tun? Der Titel des Kommentars suggeriert, dass entweder die Schüler mit Wissenslücken aus der Schule herausgehen oder dass die Lehrer Wissenslücken hätten. Hier geht es aber in Wirklichkeit um methodische Fragen. Ein gewisses Unterrichtsprinzip wird zum Qualitätsmerkmal gemacht. Schulen sind "gut", wenn sie es in mehr als 80% der Unterrichtszeit anwenden, und zwar unabhängig davon, ob es um die 1. Klasse der Grundschule oder den Leistungskurs bei der Abiturvorbereitung geht, unabhängig davon, ob gerade Werken, Mathematik oder Fremdsprachen unterrichtet werden. Vielleicht täte der Inspektionskommission mal ein bisschen innere Differenzierung gut?
"Rund die Hälfte Lehrer schafft es nicht, im Unterricht auf verschiedene Lernniveaus einzugehen" (MoPo). So soll der sperrige Begriff dem geneigten Leser verständlich gemacht werden. O Graus, die unfähigen Lehrer behandeln alle Schüler gleich, können individuelle Verständnisprobleme nicht erkennen und/oder damit umgehen! Pädagogisches Versagen auf der ganzen Linie!
Was die Inspektion misst und auf ihrem standardisierten Beobachtungsbogen abhakt, ist: Gibt es im Unterricht Aufgaben (z.B. Arbeitsblätter) unterschiedlichen Schwierigkeitsgrads? Ist das dasselbe wie "im Unterricht auf verschiedene Lernniveaus eingehen"? Kann man das im Unterrichtsgespräch nicht auch? Im Umgang mit unterschiedlichen Schülerbeiträgen? Durch Hilfestellung bei Einzel- und Partnerarbeit?
Bekommen im Sport die einen in der Klasse den Auftrag, ruhig langsamer zu laufen als die anderen? Erhalten dann alle dieselbe Note? Wohl nicht! Gemeint ist vielleicht, dass die einen mehr Training brauchen als die anderen. Aber sind sie danach wirklich genauso schnell?
Ich habe es mit der inneren Differenzierung im Grundkurs Deutsch versucht: arbeitsteilige Gruppenarbeit, einfache Aufgaben für die einen ("Sucht in Emilia Galotti Textstellen, die für eine Charakteristik Odoardos brauchbar sind!"), mittlere ("Fasst den Sachtext über die Struktur der patriarchalischen Familie zusammen!"), schwere ("Erarbeitet Werte und Haltungen des Bürgertums im ausgehenden 18. Jahrhundert auf der Basis des Textes!"). Die Schüler haben ihre Ergebnisse in bewährter Manier auf Folien notiert und vorgetragen. Die stichwortartigen Notizen wurden für alle kopiert. Waren am Ende alle auf dem gleichen Kenntnisstand? Ich bezweifle es. Oder ist das vielleicht gar nicht das Ziel? Aber was ist dann mit dem Zentralabitur, wenn 80% des Unterrichts so verläuft, dass immer dieselben die anspruchslosen Aufgaben bearbeiten? Verstehen sie lückenlos das, was "die Guten" ihnen vortragen, obwohl sie es nicht selbst durchdacht und erschlossen haben? Und was wird aus der Lerngruppe, wenn sich stabile Untergruppen etablieren? Kann nicht die leistungsmäßig gemischte Gruppe die bessere Option sein? Nichts gegen "innere Differenzierung" - im Gegenteil. Aber immer und überall?
Und zurück zu den Journalisten! Sie sollten einmal, wie es ihre Aufgabe ist, vernünftig recherchieren, bevor sie die Verlautbarungen der Bildungsverwaltung nachbeten, als seien sie das Evangelium. Und vielleicht sollten die Titelredakteure (falls es so was gibt) mal stärker kontrolliert werden (Ich schlage "Interne Evaluierung" vor!).Leider wird sich ein Großteil der zeitungslesenden Bevölkerung wieder einmal in ihrem Vorurteil bestätigt fühlen, dass die Lehrer faul und unfähig sind.
Wie hätte eigentlich die Schlagzeile geklungen:
Überwältigende Mehrheit der Berliner Schulen (75%) hat Qualität!?

Sonntag, 28. Juni 2009

Abiball

Dieser Jahrgang hat einen das Staunen gelehrt. Nach dem professionell und liebevoll gestalteten Abibuch der sensationelle Notendurchschnitt und nun auch noch ein Abiball, wie er in den letzten Jahren nicht mehr vorgekommen ist.
Das Abibuch erstaunte schon dadurch, dass es vor Abschluss der Prüfungen fertig war, was angesichts der Tatsache, dass sich die Schüler seit dem 21. April nicht mehr im schulischen Umfeld gesehen haben, schon eine Leistung ist. Jedenfalls hatten die drei vorherigen Generationen seit der Einführung des Zentralabiturs ihre Schwierigkeiten damit, so dass ihr Abibuch entweder nie zustande kam oder mit erheblicher Verspätung erst im nächsten Schuljahr zu erhalten war. Leider haben sich nicht alle Schüler bereit gefunden, eine Selbstdarstellung anzufertigen, sonst wäre das Ganze noch kompletter geworden. Lehrer- und Kursportraits waren nett gemacht, kleine Spitzen wurden diskret angedeutet, niemand wurde hingerichtet oder bloßgestellt. Danke dafür, es ist nicht selbstverständlich! Oft genug artikulieren sich in diesem Medium noch nachgetragene Rachegelüste. Über die Darstellung meiner Person will ich mich nicht ausbreiten; sie ist voller Zuwendung und Anerkennung und hat mich gefreut und gestärkt. Das schöne Foto vom LK Deutsch bekam ich gestern beim Ball dann noch im Großformat mit allen Unterschriften geschenkt, auch dafür danke!
Im originellen Ambiente der Trabrennbahn mit großem Panoramafenster gab es eine stimmungsvolle Feier mit wohldosierten Reden (besonders gelungen die vom Kollegen P.: "Junge, geh auf dem Gestreuten", leitmotivisch auf dem Eis tanzend, aber gleichwohl das Herz wärmend), einem tollen Buffet und Tanz. S. bekam ein Waffeleisen und K. eine anständige Badehose geschenkt.Ich durfte die schriftstellernde Großmutter von F. kennenlernen, an den Sorgen der Eltern teilhaben ("Was soll sie nur studieren? Sie kann sich nicht entscheiden.") und mit allerlei Ex-Kollegen und -Schülern plaudern. Eigentlich müsste ich jetzt noch etwas über die Schülerin S. sagen, deren Abschiedsworte mich wirklich bewegt haben, aber das würde echt kitschig klingen.
Auch der hoch aufgeschossene England-Emigrant war da, ob mit oder ohne Mutter, weiß ich nicht. Letztere hätte ich auf jeden Fall nicht gerne getroffen, wollte sie mich doch auf die Zahlung von 679 Euro verklagen. Eingeweihte wissen, warum.
Es blieb aber alles friedlich, festlich und vergnügt und für die vor dem Ausgang kiffenden Gestalten fühlten wir uns pädagogisch nicht mehr verantwortlich.

Dienstag, 23. Juni 2009

Abschiede

Ein Dreifach-Event: Abikonferenz, Gesamtkonferenz, Verabschiedung; letztere auch dreifach: von Frau S., Herrn M. und Herrn G.-K. Doch der Reihe nach!
Die Abikonferenz begann mit der überaus erfreulichen Mitteilung, dass der diesjährige Jahrgang einen Schnitt von 2,1 erzielt hat, darunter zweimal 1,0 und weitere 19mal mit einer 1 vor dem Komma. Respekt! Da können sich "die anderen" mal warm anziehen. Viele der namentlich Genannten stammen aus der ehemaligen B-Klasse, der ich ja schon im Abibuch eine Art Liebeserklärung gemacht habe (pädagogischer Eros!). Die "Nuller" waren die schulbekannte 16-jährige Klassenüberspringerin M.und der begabte Nicht-Schnellläufer T. Einfach super!
Hauptpunkt der Gesamtkonferenz war neben Terminen fürs nächste Schuljahr der Inspektionsbericht. Wir haben in einigen Bereichen die Bestnote erzielt: bei der Vermittlung fachlicher Kompetenzen (wir bringen unseren Schülern was bei), beim pädagogischen Klima (wir mögen unsere Schüler und zeigen das auch), beim schulinternen Curriculum (wir planen unseren Unterricht)und bei der internen Evaluation (wir überprüfen uns selbst). Was wir nicht tun: Zettelhuberei als Grundprinzip des Unterrichts/jedem Schüler sein eigenes Aufgabenblatt, von doof nach schlau gestaffelt (innere Differenzierung), Rückzug des Lehrers auf die Position des Zettelverteilers (selbstorganisiertes Lernen). In den letzten beiden Bereichen gab es die schlechteste Note. Insgesamt sind wir also zufrieden und deshalb haben sich die Gremien der Schüler, Eltern und Lehrer für eine Veröffentlichung ausgesprochen. Letztlich entscheidet die Schulkonferenz.
In den Powerpointvortrag zu den Ergebnissen hatte ich ein Video eingeschmuggelt,das Frau S. und einige der Lehrer in einer gespielten Unterrichtsszene aus dem Jahre 1983 zeigt. Damals hatten wir aus Anlass des 75-jährigen Schuljubiläums einen Film mit dem Titel "Die Holtzhammermethode" gedreht. Das Drehbuch stammte von den Schülern und es ging dabei um einen autoritären Lehrer (gespielt von dem allseits geliebten und inzwischen verstorbenen Reinhard Herbst), der von seinen Schülern erpresst wurde und dann doch noch ein ganz Netter wurde. Das Beste daran war die Tatsache, dass quasi die ganze Schule mitspielte: der seinerzeitige Schulleiter, sein Vertreter, die Sekretärinnen und ein Großteil der Lehrer. Die damalige Schulband "Enola Gay" (wild aufgestylte Punker) hatte den Song dazu geschrieben. Aufgenommen wurde auf Super-8. Erst später habe ich den Film auf VHS-Video kopieren lassen und in dieser Form schlummerte er vor sich hin. Nun ist er also auf DVD kopiert (und dann noch in MPEG umgewandelt) und wird der geneigten Schulöffentlichkeit als historisches Dokument erhalten bleiben.
Die künftigen Pensionäre wurden mit Gesang, Geschenken und Festreden verabschiedet. Nach einem bewegenden Auftritt des Chors sang auch die Lehrerschaft von G.-K. verfasste Texte auf der Melodie altbekannter Volkslieder. Besonders schmissig wurden die Refrains "Meio,meio, meihoho" und "gükam,gükam" geschmettert! Von den dreien ergriff nur M. selbst das Wort. Es war für ihn die letzte Gelegenheit, das Kollegium auf Qualifikationen und Qualitäten aufmerksam zu machen, die sich nicht jedermann erschlossen hatten. Die muntere Feier war umso erstaunlicher, als eigentlich niemand von ihr wusste. Es sollte nämlich gar nicht gefeiert werden! Wozu diese Geheimniskrämerei dienen sollte, hat eigentlich niemand verstanden.

Mittwoch, 3. Juni 2009

Wiedereinstieg

Drei Monate sind vergangen, in denen ich offenbar nichts zu sagen hatte. Osterferien lagen dazwischen, dann unmittelbar anschließend die Zeit des Schriftlichen Abiturs mit zeitaufwendigen Korrekturen, die MSA-Arbeit Deutsch mit nicht minder zeitaufwendiger Korrektur, das Mündliche Abitur, unterbrochen durch freie Tage und Miniferien, die bei schönem Wetter zu intensiver und harter Gartenarbeit genutzt wurden, die Franzosen waren zu Besuch und irgendwie fehlte die Energie für diesen Blog. Doch jetzt ist das Gröbste überstanden (womit ich nicht den ewig nachwuchernden Giersch meine - dessen Eindämmung ist eine Lebensaufgabe, der man sich nur mit größter Frustrationstoleranz und Demut hingeben kann)und somit soll hier ein Neustart erfolgen, bevor das Schuljahr endgültig herum ist.
Was noch kommentiert werden muss: der fertige Inspektionsbericht (dazu mehr nach der Gesamtelternvertretungssitzung am 11.6.), das Abibuch (wenn es in Kürze durchstudiert sein wird)und die neuesten Entwicklungen in Sachen Schulreform (heute dazu wieder einmal der Neukölln-Phobiker H. im Tagesspiegel).
Gespannt bin ich auf die Durchschnittsnote im diesjährigen Abitur, verbunden mit der Frage, ob wir es endlich einmal schaffen, bestes Gymnasium Neuköllns zu werden. Zweimal sind wir nur knapp daran vorbeigeschrammt, lagen jeweils bei der zweiten Stelle hinterm Komma knapp hinter dem Sieger.