Mittwoch, 10. Dezember 2008

Ado im TV

Gestern und heute im rbb: Familie Altiok "tauscht ihr Leben" für eine Woche mit Spreewäldern aus Lübbenau. Die Absicht ist bestimmt eine gute: dem Brandenburger Landvolk zeigen, dass "die Türken" auch Menschen sind. Das wird ja wohl auch gelingen. Besagte Familie spricht deutsch, ist weltoffen, anpassungsfähig, lustig, nett und hat kluge Kinder, die aufs Gymnasium gehen (und - nebenbei gesagt - einen nicht nur sprachlich weitaus besseren Eindruck hinterlassen als ihre etwas prolligen Pendants, die durch die Feststellung glänzen: "Türken sind doch irgendwie Schmarotzer oder so.")Natürlich ist das Ganze eine große Inszenierung. Die Beteiligten handeln nach einem Drehbuch, das die Filmemacher sich so ausgedacht haben. Außerdem muss alles über die Bilder laufen, ist ja Fernsehen. Also schwenken die Geschwister etwas verschämt eine türkische Fahne und murmeln "Türkiye", um zu bebildern, dass sie sich als Türken fühlen. Also filmt man die Spreewälder in einem türkischen Supermarkt, wo sie die Etiketten nicht lesen können, um die Landnahme der Eingewanderten in Neukölln zu illustrieren. Restaurants, Straßenszenen, Fastenregeln - im Fazit ist das alles befremdlich, weil es (für die Brandenburger)nicht "deutsch" ist. Ich stelle mir vor, dass man die Spreewälder in einen "deutschen" Intellektuellenhaushalt (Bücherwände, Bauhausmöbel, Klavier, Espressomaschine) in Prenzlauer Berg (Kneipenszene, schräge Boutiquen, Bioläden, Schwule) versetzt hätte. Wie wären ihre Fremdheitsgefühle unter all diesen Deutschen gewesen?
Was ich meine: Diese Identitätsduselei nur über ethnische Faktoren herstellen zu wollen, ist falsch. In jeder nationalen Großgruppe gibt es unzähligen Subkulturen, die einander partiell fremd sind. Das Fremdheitsgefühl stellt sich natürlich verstärkt ein, wenn die Sprache nicht verstanden wird (dies zum Thema "Deutsch auf dem Schulhof"), es aber z.B. am Essen festmachen? Wie viele Deutsche essen heute noch Eisbein mit Sauerkraut, wie viele Pizza? Im Film wurden Schmorgurken und Auberginen gewählt, um die kulturelle Differenz zu verdeutlichen. Und angeblich nimmt sich der Spreewälder Gurken mit nach Berlin, weil er ohne nicht leben kann. Au weia, wer das glaubt! Und wer schon Auberginen nicht mag, identifiziert sich aber bestimmt mit Austern schlürfenden Landsleuten im Kadewe (unter der Bedingung, dass es deutsche Austern sind)!