Mittwoch, 25. Februar 2009

Sozialquote

Herr Zöllner möchte ein zweigliedriges Schulsystem einführen: das Gymnasium einerseits und die aus Haupt-, Real- und Gesamtschule fusionierte Sekundarschule andererseits. Ersteres soll nach zwölf Schuljahren zum Abitur führen, letzteres wie gehabt nach dreizehn, wenn die Schüler ein Abitur anstreben. Zudem soll ein Notendurchschnitt von 2,0 notwendig sein, um von der Grundschule zum Gymnasium wechseln zu können.
Protest allerorten! Die Eltern aus den so genannten bürgerlichen Schichten (Wo bitte ist hier ein Bürgertum?), also alle, die sich selbst nicht zur Unterschicht zählen, schnauben: Der Elternwille ist eine heilige Kuh. Ob mein Kind aufs Gymnasium geht oder nicht, kann immer noch ich Vater/Mutter am besten entscheiden.
Die Linke ist empört: Das Gymnasium wird zu elitär. Man fordert eine Sozialquote von 30%, will heißen, dass, egal in welchem Bezirk, eine gewisse Zahl von Kindern aus Harz IV-Familien aufgenommen werden soll. Und jetzt geht der Zirkus erst richtig los. Herr Harnischfeger, Schulleiter des Beethoven-Gymnasiums: "Kinder aus Neukölln würden sich an einer Schule mit anderer Sozialstruktur nicht wohl fühlen und sich auch nicht integrieren lassen." Aha, es gibt also eine Spezies "Kinder aus Neukölln". Ist das etwa ein Euphemismus für Türken/Araber? Die Argumentstruktur hat man früher zur Rechtfertigung der Apartheid verwendet:Schwarze würden sich an "weißen" Schulen nicht wohlfühlen, sie sollten doch lieber unter sich bleiben.Früher nannte man das einen rassistischen Standpunkt. Oder sind "Kinder aus Neukölln" primär arme Kinder, die den Dresscode der Zehlendorfer/Steglitzer nicht mitmachen können und sich deshalb unwohl fühlen würden? Befürwortet Herr Harnischfeger die angenommene Arroganz derer, die in ihrem eigenen Leben noch keinen Cent selbst verdient haben, aber sozusagen auf die Speckseite des Lebens gefallen sind? Gibt es auf der Beethoven-Schule nur Kinder von Besserverdienenden? Wohnen in Steglitz keine Taxifahrer, Putzfrauen, Friseurinnen und Briefträger?
30% Sozialquote würde auch bedeuten, dass ein Teil der o.g."Kinder aus Zehlendorf" sich zwecks Schulbesuch in andere Bezirke begeben müssten, und zwar womöglich mit der BVG. Die Folge: "Gewaltvorfälle, Vandalismusschäden und Klamotten-Abzieherei in den öffentlichen Verkehrsmitteln". Ich kenne zufällig junge Menschen, die in den besagten Bezirken wohnen und dortselbst überfallen und beraubt wurden. Also, lieber Herr Harnischfeger, eine derartige Ansammlung von undifferenzierten und diffamierenden Äußerungen aus Ihrem Munde ist doch ein starkes Stück.
Ich bin nicht blauäugig. Ich weiß, dass es Integrationsprobleme gibt, Gewalt auf der Straße und unterschiedliche gesellschaftliche Milieus. Neu ist mir allerdings der Gedanke, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen offen und ohne Scham ihre Selbstghettoisierung betreiben.
Und außerdem: "Kinder aus Neukölln" und teilweise sogar "mit Migrationshintergrund" haben an unserer Schule ein Abitur mit 1,0 oder 1,1 oder 1,2 gemacht. Die würde Herr H.aber alle nicht haben wollen. Unintegrierbar? Ich finde:unverschämt!
P.S. Ich bin ganz und gar nicht für diese Idee der Sozialquote, ärgere mich aber über die mit großer Selbstverständlichkeit von einem Gewerkschafter vorgetragenen Klischees. Das ganze Interview kann man nachlesen!

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