Mittwoch, 3. Juni 2009

Wiedereinstieg

Drei Monate sind vergangen, in denen ich offenbar nichts zu sagen hatte. Osterferien lagen dazwischen, dann unmittelbar anschließend die Zeit des Schriftlichen Abiturs mit zeitaufwendigen Korrekturen, die MSA-Arbeit Deutsch mit nicht minder zeitaufwendiger Korrektur, das Mündliche Abitur, unterbrochen durch freie Tage und Miniferien, die bei schönem Wetter zu intensiver und harter Gartenarbeit genutzt wurden, die Franzosen waren zu Besuch und irgendwie fehlte die Energie für diesen Blog. Doch jetzt ist das Gröbste überstanden (womit ich nicht den ewig nachwuchernden Giersch meine - dessen Eindämmung ist eine Lebensaufgabe, der man sich nur mit größter Frustrationstoleranz und Demut hingeben kann)und somit soll hier ein Neustart erfolgen, bevor das Schuljahr endgültig herum ist.
Was noch kommentiert werden muss: der fertige Inspektionsbericht (dazu mehr nach der Gesamtelternvertretungssitzung am 11.6.), das Abibuch (wenn es in Kürze durchstudiert sein wird)und die neuesten Entwicklungen in Sachen Schulreform (heute dazu wieder einmal der Neukölln-Phobiker H. im Tagesspiegel).
Gespannt bin ich auf die Durchschnittsnote im diesjährigen Abitur, verbunden mit der Frage, ob wir es endlich einmal schaffen, bestes Gymnasium Neuköllns zu werden. Zweimal sind wir nur knapp daran vorbeigeschrammt, lagen jeweils bei der zweiten Stelle hinterm Komma knapp hinter dem Sieger.

Sonntag, 8. März 2009

Professorenwissen

Heute in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung unter der Überschrift "Gute Bücher,die wir hassen" lauter Verrisse. Von dem einen Rezensenten erfährt man, dass man doch nicht ganz allein auf der Welt ist, wenn man den "Vorleser" nicht mag, oder dass man sich nicht zu schämen braucht, wenn man Heinrich Manns "Henri IV" nach 50 Seiten (gefühlten 200) auf ewig in die hintere Reihe des Bücherregals verbannt hat.
Aber dann kommt "Nathan der Weise", für den man ja als eine im multi-ethnischen Umfeld tätige Deutschlehrerin zutiefst dankbar ist. Wie man von den Kollegen hört, wird die "Ringparabel" auch fleißig in Ethik durchgenommen. Das wird nun ein gestandener Literaturprofessor nicht als Qualitätskriterium durchgehen lassen. Geschenkt! Aber sollte der Besagte, wenn er schon einen Verriss schreibt, nicht noch einmal kurz die Handlung rekapituliert haben? Vielleicht mal in "Kindlers Lexikon der Weltliteratur" geschaut haben, das man doch sicher zu Hause hat? Oder googeln? Aber das tut man vielleicht in professoralen Arbeitszimmern nicht, da man ja alles im Kopf zu haben glaubt. Aber dann so etwas: "...und so kann es am Ende nicht ausbleiben, dass seine angenommene Tochter Recha den Tempelherrn kriegt, der Saladins Neffe und folglich ein Muslim ist."
Also, lieber Herr Professor Gumbrecht, jeder, aber auch jeder Abiturient des Nord-Neuköllner Albrecht-Dürer-Gymnasiums kann Ihnen sagen, dass das Unsinn ist. Der Tempelherr ist Rechas Bruder, und falls man nicht selbst ein orthodoxer Muslim ist, der der Meinung ist, Kinder aus christlich-muslimischen Mischehen seien automatisch Muslime, stimmt auch die zweite Information nicht oder nur halb.
Ich wette, dass in Deutschlands studienrätlichen Haushalten heute morgen am Frühstückstisch ziemlich oft aufgeschrien wurde. Deshalb verkneife ich mir auch einen Leserbrief. Dafür werden schon die anderen Deutschlehrerinnen sorgen.
Wenn ich ihn denn geschrieben hätte, hätte ich dem Literaturwissenschaftler auch noch folgendes unter die Nase gerieben. Gumbrecht findet Lessings berühmten Satz über den Tod seiner Frau und seines Sohnes bewegend. Ist es nicht auch bewegend, dass er im "Nathan" seinem Freund Moses Mendelssohn ein Denkmal gesetzt hat, dem man die Frage nach der "richtigen" Religion öffentlich und durchaus mit nicht ganz redlichen Hintergedanken gestellt hat?

Mittwoch, 4. März 2009

Ado weltweit

Die Deutsche Welle hat mit Schülern der 11b und Gleichaltrigen des Jüdischen Gymnasiums (Mitte)einen Film gedreht: "Koscher - gibt's das nicht auch im Islam?" Derselbe ist zwar (bisher) nicht im hiesigen TV gelaufen, aber unter www.dw-world.de in guter Qualität anzusehen. Heute berichtete der Tagesspiegel unter der Überschrift "Übung in Toleranz".
Der Film ist auf drei "Partner" dieser Begegnung fokussiert: Selçuk und Emanuel, Rasha und Sharon, Moritz und Moshe. Wir werfen Blicke in eine orthodoxe Thora-Schule, eine alevitische Gemeinde, in Rashas Manga-Höhle, Moshes "Internat", Familie Altioks Wohnzimmer (das wir schon vom Spreewald-Austausch kannten)und die Turnhalle der ADO. Wir sehen tief Gläubige, Suchende, Skeptiker. Und es wird einigermaßen glaubhaft vermittelt, dass sich bei dieser Begegnung einige Teilnehmer angefreundet haben. "Stars" sind wie immer die Kameratauglichen und die, die sich für Typisierungen eignen. Aber das muss wohl so sein, wenn man den Zuschauer erreichen will. Die Botschaft ist die richtige und wer die Ringparabel gelesen hat, weiß, was ich meine. Wenn der Film wirklich primär in arabischen Ländern gezeigt wird, wie dies bei der Präsentation im Jüdischen Museum gesagt wurde, gilt das umso mehr. Dort haben die Bilder von Rasha, die ihr Kopftuch abgelegt hat, und Selçuk, der mit einer Kippa in die Synagoge geht, sicher noch eine ganz andere Kraft als bei uns.
Inzwischen war das Jüdische Museum mit seiner mobilen Ausstellung noch einmal in der Schule. Die jungen Mitarbeiter waren sehr angetan von der freundlichen Aufnahme und der qualifizierten Mitarbeit der Schüler. So ist die Idee entstanden, den Preis, den das JMB für seine Jugendarbeit bekommt, am 18. März in feierlichem Rahmen in unserer Aula entgegenzunehmen. Wir erwarten Prominenz und Medien!

Donnerstag, 26. Februar 2009

Nachtrag

Heute erfahre ich, dass das Beethoven-Gymnasium seinen Abiball im Estrel-Hotel feiert.Und wo liegt das? In NEUKÖLLN. Au weia, hoffentlich kommen alle wieder gut nach Hause.

Mittwoch, 25. Februar 2009

Sozialquote

Herr Zöllner möchte ein zweigliedriges Schulsystem einführen: das Gymnasium einerseits und die aus Haupt-, Real- und Gesamtschule fusionierte Sekundarschule andererseits. Ersteres soll nach zwölf Schuljahren zum Abitur führen, letzteres wie gehabt nach dreizehn, wenn die Schüler ein Abitur anstreben. Zudem soll ein Notendurchschnitt von 2,0 notwendig sein, um von der Grundschule zum Gymnasium wechseln zu können.
Protest allerorten! Die Eltern aus den so genannten bürgerlichen Schichten (Wo bitte ist hier ein Bürgertum?), also alle, die sich selbst nicht zur Unterschicht zählen, schnauben: Der Elternwille ist eine heilige Kuh. Ob mein Kind aufs Gymnasium geht oder nicht, kann immer noch ich Vater/Mutter am besten entscheiden.
Die Linke ist empört: Das Gymnasium wird zu elitär. Man fordert eine Sozialquote von 30%, will heißen, dass, egal in welchem Bezirk, eine gewisse Zahl von Kindern aus Harz IV-Familien aufgenommen werden soll. Und jetzt geht der Zirkus erst richtig los. Herr Harnischfeger, Schulleiter des Beethoven-Gymnasiums: "Kinder aus Neukölln würden sich an einer Schule mit anderer Sozialstruktur nicht wohl fühlen und sich auch nicht integrieren lassen." Aha, es gibt also eine Spezies "Kinder aus Neukölln". Ist das etwa ein Euphemismus für Türken/Araber? Die Argumentstruktur hat man früher zur Rechtfertigung der Apartheid verwendet:Schwarze würden sich an "weißen" Schulen nicht wohlfühlen, sie sollten doch lieber unter sich bleiben.Früher nannte man das einen rassistischen Standpunkt. Oder sind "Kinder aus Neukölln" primär arme Kinder, die den Dresscode der Zehlendorfer/Steglitzer nicht mitmachen können und sich deshalb unwohl fühlen würden? Befürwortet Herr Harnischfeger die angenommene Arroganz derer, die in ihrem eigenen Leben noch keinen Cent selbst verdient haben, aber sozusagen auf die Speckseite des Lebens gefallen sind? Gibt es auf der Beethoven-Schule nur Kinder von Besserverdienenden? Wohnen in Steglitz keine Taxifahrer, Putzfrauen, Friseurinnen und Briefträger?
30% Sozialquote würde auch bedeuten, dass ein Teil der o.g."Kinder aus Zehlendorf" sich zwecks Schulbesuch in andere Bezirke begeben müssten, und zwar womöglich mit der BVG. Die Folge: "Gewaltvorfälle, Vandalismusschäden und Klamotten-Abzieherei in den öffentlichen Verkehrsmitteln". Ich kenne zufällig junge Menschen, die in den besagten Bezirken wohnen und dortselbst überfallen und beraubt wurden. Also, lieber Herr Harnischfeger, eine derartige Ansammlung von undifferenzierten und diffamierenden Äußerungen aus Ihrem Munde ist doch ein starkes Stück.
Ich bin nicht blauäugig. Ich weiß, dass es Integrationsprobleme gibt, Gewalt auf der Straße und unterschiedliche gesellschaftliche Milieus. Neu ist mir allerdings der Gedanke, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen offen und ohne Scham ihre Selbstghettoisierung betreiben.
Und außerdem: "Kinder aus Neukölln" und teilweise sogar "mit Migrationshintergrund" haben an unserer Schule ein Abitur mit 1,0 oder 1,1 oder 1,2 gemacht. Die würde Herr H.aber alle nicht haben wollen. Unintegrierbar? Ich finde:unverschämt!
P.S. Ich bin ganz und gar nicht für diese Idee der Sozialquote, ärgere mich aber über die mit großer Selbstverständlichkeit von einem Gewerkschafter vorgetragenen Klischees. Das ganze Interview kann man nachlesen!

Mittwoch, 28. Januar 2009

Schülerzeitung

Die Berliner Morgenpost lässt nicht locker: Schon wieder ein Artikel über die Zensur an unserer Schule. Die Vorgeschichte hier von Anfang an zu rekapitulieren, würde zu weit führen. Tatsache ist: Die Schulleitung ließ sich die damalige Schülerzeitung "dürer!" zur Vorabkontrolle vorlegen, wozu sie nach dem auch in der Schule geltendem Recht auf Pressefreiheit nicht befugt ist. Die Folge (Preisverleihung und öffentliche Aussprache des Wortes "Zensur", Reaktion von Senator Zöllner, Schulwechsel der Redaktion) sind den Eingeweihten bekannt. Tatsache ist auch: Wir haben jetzt eine Schulzeitung, die zur Kontrolle der Schulleitung vorgelegt wird, welche wiederum presserechtlich verantwortlich zeichnet.Das ist nun auch nicht ohne Pikanterie, da weiterhin Artikel über Kollegen/Kolleginnen erscheinen, die nicht nur Schmeichelhaftes enthalten und die subjektive Wahrnehmung der Schülerschaft widerspiegeln. Und dafür ist dann die Schulleitung verantwortlich??! Dann weiß ich wenigstens, wo ich mich beschweren kann, wenn ich falsch zitiert werde (etwa mit: "Liebe Kinder, heute machen wir Drogen!"). Was mich an der ganzen Sache aber nun wirklich umhaut, ist ein Gespräch mit Schülern des Abiturjahrgangs, die diese "Zensur" (man könnte auch versöhnlicher "Vorabkontrolle" sagen)mit großem argumentatorischen Aufwand gutheißen und rechtfertigen. Detlev Meier wird sich im Grabe herumdrehen, der gute Staffelt nostalgisch das gelockte Haupt schütteln und Benjamin Christ wird die allernihilistischsten Kommentare über die Jugend von heute absondern. Mensch Leute, seid doch nicht so verdammt duckmäuserisch! Die Schülerzeitungen an unserer Schule (Pauke, AnAlphabeten und dürer! der 1./2./3.Generation) haben eine Tradition, und zwar zumindest teilweise eine kritische, satirische. Da gab es Redakteure, die sich nicht in die Hose gemacht haben, wenn es mal ein bisschen Stress gab. Okay, als Lehrer möchte man nicht unbedingt alle paar Wochen ängstlich darauf warten, ob man nun diesmal zur Zielscheibe des allgemeinen Spottes geworden ist. Aber war der "dürer!" so? Und das Argument, eine Mitschülerin habe man fertig machen wollen, und das allein rechtfertige die "Vorabkontrolle" - tut mit leid, irgendwie fällt es mir schwer zu glauben, dass diese Kritik so menschenverachtend war, wie sie jetzt im Zuge der Legendenbildung erscheint. Die Schulzeitung muss wieder zur Schülerzeitung werden! Wir machen uns ja lächerlich!

Inspektion (2)

Das große Los gezogen! Das Inspektionsteam hatte sich ja nach allen Regeln der Kunst angemeldet, sein Vorgehen erläutert usw. usw. Um die Untersuchungsinstrumente "zu kalibrieren" (whatever that means), wolle man mit der ganzen Truppe in der zweiten Unterrichtsstunde am Montag gemeinsam in eine Klasse gehen und dort einer vollständigen Stunde beiwohnen. Ich fühlte mich in der räumlichen Enge von Raum 402, wo schon die 22 Schüler und ich kaum Luft zum Atmen haben, geschweige denn gemütlich in der Klasse hin- und hergehen können, auf der sicheren Seite. Weit gefehlt! Quelle fatale illusion!(Ist 'ne Anspielung für Eingeweihte!)Schon auf meinem Weg über den Flur raunten die Kollegen, vor der Tür eine besorgte Schulleiterin, hinten in der Klasse die sechs Gestalten, schön eng mit Körperkontakt, wie die Hühner auf der Stange.
Schluck!Erfreulicherweise hatte ich allerdings einen bombensicheren Selbstläufer geplant: Schüler stellen Plakate über "Kabale und Liebe" vor. So konnte ich mich gepflegt an die Seite verfügen und der Sache gelassen zusehen. Und die Schüler waren Spitze! Ganz im Sinne des selbstorganisierten Lernens nahmen sie Sache in die Hand, redeten frei und flüssig und dazu auf hohem Niveau. Wenn das keine Pluspunkte gegeben hat! Später, beim Lehrergespräch am Nachmittag, fragte ich den großen Vorsitzenden, wie denn die Einzelstunden ausgewählt worden seien, und erhielt zur Antwort, das habe das Verwaltungspersonal nach dem Zufallsprinzip gemacht. Ich war dann jedenfalls am selben Tag nochmal dran: in der 7. Stunde im Grundkurs Französisch.Und das war's dann auch. Mal sehen, was dabei rauskommt.